Kategorien
Management

Cloud Computing – Sinn und Nutzen? Am Ende zählt der Use Case!

Hat Cloud Computing wirklich seine Daseinsberechtigung? Geht es nach den Pessimisten: Nein, denn es ist nur alter Wein in neuen Schläuchen! Geht es nach dem Marketing: Ja, neue Buzzwords lassen sich immer gut verkaufen! In der Regel schauen beide Seiten jedoch niemals hinter die Kulissen und betrachten nicht den tatsächlichen Mehrwert bzw. den Nutzen oder auch nicht-Nutzen.

An die Pessimisten: Cloud Computing ist kein alter Wein neuen Schläuchen. Gewiss, einige Technologien und Ideen die das Gesamtkonzept Cloud Computing ergeben, existieren bereits seit den 1960er. Aber genau das Wort „Gesamtkonzept“ ist hier der entscheidene Faktor. Erst die Kombination vieler Technologien, wie SOA, Virtualisierung, ASP, Web Services und Grid Computing plus das Multi-Tendancy Konzept ermöglichen erst das Paradigma, das wir Cloud Computing nennen. Hinzu kommt das Geschäftsmodell (on Demand, Pay per use, Building Blocks, usw.) bzw. die Geschäftsmodelle, die erst auf Grund des Cloud Computing entstehen konnten. Betrachten wir die letzten Monate und Jahre, konnten neue Unternehmen und Geschäftsmodelle nur dadurch entstehen, da sie auf Grund des Cloud Computing unkompliziert, flexibel und kostengünstig auf die dafür benötigten IT-Ressourcen zugreifen konnten. Der Unterschied zum klassischen Outsourcing oder auch den Managed Services ist ebenfalls sehr deutlich. Beim Outsourcing existiert kein skalierbarer, flexibler und abrechnungsgenauer Bezug von Ressourcen. Statt Cloud Computing hätte es genauso gut Dynamic Computing Services oder on Demand Computing Services genannt werden können. Aber Cloud Computing ist auf Grund des Ressourcenbezugs über das Internet nun einmal die beste Beschreibung.

An das Marketing: Bitte bei der Wahrheit bleiben! Ca. 70% der klassischen Webhoster sind bereits auf den Cloud Computing Zug aufgesprungen. Die einen mehr, die anderen weniger Cloud. Sehr beliebt ist, einfach ein bestehendes Produkt zu „vercloudifizieren“. Heißt: Gleiches Produkt mit einem neuen Namen, z.B. Cloud Server. Das es sich dann nur um einen virtuellen Server handelt, der auch noch für eine monatliche Grundgebühr zu beziehen ist und über keine (automatisierte) Skalierbarkeit verfügt, wird außer acht gelassen. Positiv überraschen die etablierten IT-Konzerne. Das Konzept Cloud Computing wird, insbesondere in Deutschland und Europa, zwar teilweise neu interpretiert. Das ist auf Grund der Zielgruppe (etablierte Unternehmen) und dem Einsatzgebiet (kritische Produktivumgebungen) aber durchaus verständlich. So befinden sich hier vermehrt (sichere) Virtual Private Clouds im Portfolio. In den USA herrschen derzeit noch die Public Clouds.

Der Glaubenskrieg

Hier beginnt auch schon der Kampf um die „beste“ Cloud. Fakt ist: Es gibt keine gute oder schlechte Cloud und schon gar nicht die beste Cloud. Aber es gibt individuelle Bedürfnisse und Anforderungen. Neben den Public, Private und Hybrid Clouds, werden die Beschreibungen immer granularer. So existieren mittlerweile unterschiedliche Cloud Level, zu denen auch die Public und Hybrid Cloud gehören. Diese Cloud Level machen sich aber besonders im Umfeld der Private Cloud bemerkbar. Es gibt daher nicht mehr nur die Private Cloud im eigenen Rechenzentrum, sondern nun auch die sogenannte Dedicated Private Cloud oder auch Virtual Private Cloud. Führen die Public Clouds auf Grund ihres unkomplizierten Zugriffs zu Innovationen und neuen Geschäftsmodellen, haben die „X Private Clouds“ die Aufgabe, die Heimat von Produktivsystemen zu werden und Unternehmen darüber den flexiblen on Demand Bezug von Ressourcen auf einer Pay per use Basis in einem privatem und not shared Umfeld zu ermöglichen. Unternehmen erhalten damit die Gelegenheit, eine eigene Private Cloud, inkl. allen Methoden und Konzepten des Public Cloud Computing (bis auf die Kreditkarte), aufzubauen, ohne einen Cent in eigene Rechenzentrumskapazitäten zu investieren. Damit umgehen sie der Komplexitäts- und Kostenfalle der eigentlichen Private Cloud, erhalten aber dennoch Ressourcen wenn sie benötigt werden. Wie ich jedoch eingangs erwähnte gibt es keine gute oder schlechte Cloud. Die eigene Private Cloud kann im Einzelfall durchaus Sinn ergeben, um den eigenen Bezug der IT-Ressourcen zu flexibilisieren.

Der Einzelfall entscheidet

Grundsätzlich muss immer der Einzelfall betrachtet werden, wo Cloud Computing Sinn macht und wo nicht, bzw. welche Art von Cloud Computing hilfreich ist. Beim Cloud Computing sprechen wir von X-as-a-Service, genauer Software-as-a-Service (SaaS), Platform-as-a-Service (PaaS) und Infrastructure-as-a-Service (IaaS).

SaaS erzielt in nahezu 99% aller Fälle den gewünschten Nutzen und hilft Unternehmen dabei, Anwendungen zu nutzen wenn sie benötigt werden, ohne dabei langfristig in teure Softwarelizenzen und Infrastruktur zu investieren und je nach Mitarbeitersituation immer ausreichend Anwendungen zur Verfügung zu haben. Darüber hinaus entfallen die Installation und Wartung der Software, da der Zugriff über den Standard Webrowser stattfindet und der Anbieter für den aktuellen Stand und der Funktionsfähigkeit der Software zuständig ist.
Entscheidend ist letztendlich die Analyse der eigenen Situation und der Anforderungen sowie die Evaluation der geeigneten Software sowie deren möglicherweise notwendigen Integration mit den restlichen Systemen.

PaaS spielt besonders im Entwicklerumfeld seine Stärken aus. Die Bereitstellung von skalierbarer Rechenleistung ist ein teures Vergnügen. Ebenso die Wartung der dafür benötigten Infrastruktur in Form von Hardware, Netzwerkkomponenten, aber auch Betriebssysteme und die restlichen Softwarestacks. Speziell die Bereitstellung vollständig vorkonfigurierter und gewarteter Softwarestacks helfen einem Entwickler bei der schnellen Umsetzung seiner Ideen. Ein kleiner Nachteil besteht in der Regel durch die Entscheidung für eine einzige Programmiersprache, wodurch die Portabilität der Anwendung leidet. Dabei handelt es sich jedoch um ein je nach Situation durchaus zu vernachlässigendes Problem.
Vor allem für das „mal eben ausprobieren“ einer Idee eignet sich PaaS besonders gut. Aber ebenfalls der langfristige produktive Einsatz und das Hosting der Anwendung auf einer skalierbaren und gewarteten Infrastruktur sind sehr attraktiv, wenn vorab die benötigten Anforderungen und das Programmiermodell geklärt worden sind.

IaaS bietet je nach Einsatzgebiet in vielen Bereichen Vorteile. Kann aber durchaus auch zur Kostenfalle werden. Soll bspw. eine Webseite auf einer Instanz aus der Cloud 7/24/365 betrieben werden, wird schnell deutlich, dass die Kosten dafür einfach nicht tragbar sind. Für diesen Zweck reicht ein gewöhnlicher virtueller Server (was eine Instanz aus der Cloud letztendlich auch nur ist) von einem traditionellen Webhoster mit einer monatlichen Grundgebühr völlig aus. Damit ist die Kosten- als auch die technische Seite gut abgedeckt. Anders verhält es sich bei einer Webseite die einer nicht unmittelbar vorhersagbaren Dynamik oder saisonalen Einflüssen unterlegen ist. Hier hilft der Einsatz einer Cloud Infrastruktur, wenn sie dann richtig genutzt wird und die Methoden und Konzepte des Cloud Computing, wie z.B. Skalierbarkeit und Hochverfügbarkeit durch den Einsatz von Skripten oder anderweitiger Tools, berücksichtig wird. IaaS ist daher, je nach Bereich, kostentechnisch nicht für den Langzeitbetrieb geeignet, sondern vielmehr für den periodischen Ausgleich von Anfragen und dadurch entstehende Lasten. Auch bzgl. der Nutzung einer Public Cloud oder einer Virtual Private Cloud gibt es unterschiedliche Einsatzszenarien. Eine Public Cloud ist bspw. ideal für kleine Unternehmen und Startups, die eine Web- oder Mobile Anwendung mit Backend anbieten möchten oder Entwickler die schnell eine Idee umsetzen wollen und dafür entsprechende Ressourcen benötigen. Eine Virtual Private Cloud hingegen bietet etablierten Unternehmen die Möglichkeit ihre Produktivumgebungen skalierbarer und flexibler auszulagern und zu betreiben. So wären z.B. mögliche Use Cases die Migration des ERP Systems oder die Virtualisierung der Desktops und die damit verbundene Umstellung von Fat auf Thin Clients.

Fazit

Es gibt keine gute oder schlechte Cloud! Und schon gar nicht die beste Cloud. Wie seit jeher in der IT notwendig, muss immer die eigene Situation betrachtet werden und die Entscheidung individuell getroffen werden. Der einzige sinnvolle Rat zu Beginn kann daher nur lauten: Augen auf und genau überlegen in welche Richtung die Reise gehen soll, welches die Ziele sind und was damit erreicht werden soll. Ein erster unabhängiger Marktüberblick inkl. Angebotsanalyse wird dabei helfen Klarheit zu schaffen und mögliche Produkte und Services für die eigene bedarfsgerechte Nutzung zu identifizieren.

Von Rene Buest

Rene Buest is Gartner Analyst covering Infrastructure Services & Digital Operations. Prior to that he was Director of Technology Research at Arago, Senior Analyst and Cloud Practice Lead at Crisp Research, Principal Analyst at New Age Disruption and member of the worldwide Gigaom Research Analyst Network. Rene is considered as top cloud computing analyst in Germany and one of the worldwide top analysts in this area. In addition, he is one of the world’s top cloud computing influencers and belongs to the top 100 cloud computing experts on Twitter and Google+. Since the mid-90s he is focused on the strategic use of information technology in businesses and the IT impact on our society as well as disruptive technologies.

Rene Buest is the author of numerous professional technology articles. He regularly writes for well-known IT publications like Computerwoche, CIO Magazin, LANline as well as Silicon.de and is cited in German and international media – including New York Times, Forbes Magazin, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wirtschaftswoche, Computerwoche, CIO, Manager Magazin and Harvard Business Manager. Furthermore Rene Buest is speaker and participant of experts rounds. He is founder of CloudUser.de and writes about cloud computing, IT infrastructure, technologies, management and strategies. He holds a diploma in computer engineering from the Hochschule Bremen (Dipl.-Informatiker (FH)) as well as a M.Sc. in IT-Management and Information Systems from the FHDW Paderborn.

3 Antworten auf „Cloud Computing – Sinn und Nutzen? Am Ende zählt der Use Case!“

Guter Artikel. Besonders das Problem „Marketing“-Cloud hätte ich allerdings noch weiter ausformuliert, da hier doch momentan das größte Problem beim Cloud Computing liegt.

Das oft vorgeschobene Thema Sicherheit ist nicht mehr oder weniger spannend als früher, hier muss man es einfach ordentlich „machen“, aber die Verwirrungen, die durch wildgewordene Marketingabteilungen geschürt werden, sind sehr schwer aufzulösen.

Meine 0.02 Euro
Roland

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert