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Erbärmlich: Protonet und sein Cloud Marketing

Erst einmal herzlichen Glückwunsch Protonet. 200.000 EUR auf Seedmatch zu erzielen, das muss man erst einmal schaffen. Meinen Artikel über euch scheint ihr ja gelesen zu haben. Er wurde sogar auf Seedmatch verlinkt aber dennoch verkauft ihr euer Produkt als Cloud Computing Produkt? „Protonet revolutioniert den Cloud Computing Markt mit dem einfachsten Server der Welt, der das Beste der Cloud mit den Vorteilen lokaler Hardware verbindet.“ Tut mir leid, auch wenn ich eure Box tatsächlich interessant finde, aber dass ihr diese an Stelle eines „NAS“ am Markt positioniert, lieber auf den Cloud Computing Zug aufspringt und Cloud-Washing betreibt, finde ich erbärmlich.

Protonet sagt die Unwahrheit!

Ich hatte mich mit Ali Jelveh auf der CeBIT 2012 kurz nach der Protonet Veröffentlichung darüber unterhalten. Und er hat in diesem Gespräch zugegeben, dass Protonet mit Cloud nichts zu tun hat, sich aber gut anhört, weil gerade jeder über die Cloud spricht.

Protonet täuscht gezielt Investoren

Auf Seedmatch schreibt Protonet:

„Glaubwürdigkeit
Wir erzählen eine ehrliche, authentische Geschichte. Wir müssen unser Produkt nicht künstlich schön reden. Unabhängigkeit und Freiheit im digitalen Zeitalter betreffen jeden. Und wir bieten das notwendige Werkzeug zum Erhalt dieser Grundwerte.“

Dann stellt sich mir aber die Frage, warum ihr eure Lösung für etwas verkauft, was es gar nicht ist? Glaubwürdigkeit ist etwas anderes.

Für die Investoren wird natürlich schön auf den Cloud Zug aufgesprungen:

„In Bezug auf die einzelnen Nutzenaspekte der Protonet-Box konkurrieren wir jeweils mit einer Reihe von Wettbewerbern. Im Homeserver-Bereich konkurrieren wir mit Anbietern wie Synology, Iomega, Western Digital und Buffalo. Im Social Collaboration Markt machen wir Diensten wie Yammer, Dropbox, TeamBox oder Campfire künftig Marktanteile strittig. Unsere innovative Kombination aus Hardware und Kollaborationsplattform in einem Designprodukt bietet momentan kein anderes Unternehmen.“

„Kurzum: Alle Vorteile der Cloud – ohne die Nachteile. Unsere Kunden erlangen ihre Informationshoheit und Datenkontrolle zurück und genießen höchstmögliche Datensicherheit.“

Weiterhin hat Protonet die Wachstumszahlen des Cloud Computing Markt genutzt, um sich attraktiver zu machen, obwohl Protonet mit Cloud Computing nichts zu tun hat!

Cloud Computing Eigenschaften

Ich hatte hier bereits 2010 beschrieben, worauf man bei einem echten Cloud Service achten sollte.

  • On Demand:
    Ich beziehe die Ressourcen zu dem Zeitpunkt, wenn ich Sie auch tatsächlich benötige. Anschließend „gebe ich sie wieder zurück“.
  • Pay as you Go:
    Ich bezahle nur für die Ressourcen, die ich auch tatsächlich nutze, wenn ich sie nutze. Dabei wird entweder z.B. pro Benutzer, pro Gigabyte oder pro Minute/ Stunde abgerechnet.
  • Keine Grundgebühr:
    Bei einem Cloud Computing Angebot zahle ich keine monatliche/ jährliche Grundgebühr!
  • Hohe Verfügbarkeit:
    Wenn ich die Ressourcen benötige, kann ich sie zu diesem Zeitpunkt auch nutzen.
  • Hohe Skalierbarkeit:
    Die Ressourcen lassen sich automatisiert meinen Bedürfnissen anpassen. Das bedeutet, dass sie entweder mit meinen Ansprüchen wachsen, wenn ich mehr Leistung benötige oder sich verkleinern, wenn die Anforderungen wieder abnehmen.
  • Hohe Zuverlässigkeit:
    Die von mir genutzten Ressourcen sind zu dem Zeitpunkt wenn ich sie nutze tatsächlich verfügbar, worauf ich mich verlassen kann.
  • Blackbox:
    Ich muss mich nicht darum kümmern, wie es im Inneren des Cloud Angebots aussieht. Ich nutze einfach den Service über eine offene, gut dokumentierte Schnittstelle.
  • Automatisierung:
    Nachdem ich eine Grundeinrichtung bzgl. meiner Bedürfnisse vorgenommen habe, sind von mir keine weiteren manuellen Eingriffe während der Nutzung des Angebots notwendig. Ich muss z.B. die Leistung der Server oder die Größe des Speicherplatzes nicht manuell anpassen. Dafür werden mir Möglichkeiten zur Automation bereitgestellt.
  • Zugriff über das Internet:
    Darüber kann diskutiert werden. Allerdings ist der Kostenvorteil den man durch Cloud Computing erhält obsolet, wenn eine teure exklusive Mietleitung benötigt wird, um bspw. die Ressourcen eines Anbieters zu nutzen.
  • Keine zusätzlichen Installationen:
    Bei einem SaaS Angebot erfolgt die vollständige Nutzung über den Webbrowser ohne dabei eine weitere Softwarekomponenten wie z.B. Java (Umgebung) installieren zu müssen.

Frage, kann ein NAS diese Eigenschaften erfüllen? Nein!

Selbst international steht Protonet in der Kritik

Unabhängig davon, dass ich mit Ihm jemals über Protonet gesprochen habe, hat mein Freund und Analysten-Kollege Ben Kepes aus Neuseeland die Lösung kritisch aufgefasst und ebenfalls in die Kategorie Cloud-Washing abgelegt.

Zwei Bereiche die auch Ben sehr deutlich hervorhebt:

Protonet makes total sense, it’s a great solution. But it isn’t in any way cloud.

Let’s use the age old acronyms to run a check on this, firstly Cloudcamp founder Dave Nielsen’s OSSM that states that a cloud service should be:

  • On demand
  • Scalable
  • Self service
  • Metered

Well Protonet isn’t scalable (beyond the obvious ability to swap out drives for bigger ones, its service isn’t metered and while some might call it self-service, driving down to your local computer supplies retailer for a new drive doesn’t really cut it when compared to true programmatical access.

So let’s take another try, this time using the father of Cloudonomics, Joe Weinman’s, CLOUD mnemonic. According to Weinman, a cloud service should be;

  • Common infrastructure
  • Location independence
  • Online accessibility
  • Utility pricing
  • On-demand resources

So Protonet scores even lower using this test. Sadly.

Herzlichen Glückwunsch Protonet, ihr habt es bei Ben auf einen der einflussreichsten Cloud Blogs der Welt geschafft, allerdings hat auch er euch durchschaut!

Journalisten hinterfragen nicht kritisch genug

Das beste ist, dass selbst deutsche Journalisten sich von diesem Marketing ins Bockshorn jagen lassen. Auf CIO.de ist ein lobender Artikel erschienen und exakt in der Mitte ist eine Info-Box mit dem Titel:

„Die Vorteile des Cloud Computings“.

Darin steht

„Speziell für kleine und mittelständische Betriebe stellen Anfangsinvestitionen in die IT eine enorme Hürde dar. Cloud-Modelle bieten als Alternative nicht nur die Chance, Kapitalkosten in Betriebskosten umzuwandeln, sondern auch unter dem Strich zu sparen.“

Der krasse Gegensatz auf einer einzigen Seite.

Update: CIO.de hat den oben genannten Artikel nach Veröffentlichung dieses Beitrags berechtigterweise wieder von Ihrer Webseite entfernt. Daher leitet der Link auf die Homepage des Magazins.

Ehrlichkeit, Ehrlichkeit, Ehrlichkeit

Zusammenfassende Frage: Was hat Protonet mit Cloud Computing oder einer Private Cloud zu tun? Zusammenfassende und einfache Antwort: Gar nichts.

Ich finde es ganz ehrlich, lächerlich, auf den Cloud Computing Zug aufzuspringen, die Investoren, Journalisten und den Rest der Öffentlichkeit mit so einer Marketingblase zu verwirren und dann noch Geld einzukassieren. Dabei hat Protonet es nicht einmal nötig. Das aufgebohrte NAS mit Chatter Kopie ist grundsätzlich eine gute Idee. Und ganz im Ernst, ich gönne Protonet den bisherigen Erfolg. Aber sein Geschäft auf Unwahrheiten und Täuschungen aufzubauen ist schon bei vielen nach hinten losgegangen.

Dieser Beitrag ist mit viel Emotion geschrieben und hört sich böse an. Aber jedes einzelne Wort meine ich ernst, weil Unwahrheiten für den eigenen Vorteil verbreiten keine Kavaliersdelikte sind!

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Protonet ist keine Private Cloud!

Auf der CeBIT bin ich dem Team von Protonet über den Weg gelaufen. Aufgefallen sind sie mir, da am Stand eine Private Cloud beworben wurde, im Zentrum jedoch eine kleine(!) orange Box stand. Cloudifizierung?

Das Startup aus Hamburg wirbt auf der Internetseite damit, die “ … soziale IT-Infrastruktur für kleine und mittelständische Unternehmen …“ zu sein. Diese Aussage passt recht gut, erinnert die Web-Oberfläche doch stark an Salesforce Chatter. Der Flyer der mir vorliegt preist Protonet zusätzlich als Private Cloud Lösung an.

Die Funktionen

Bei den grundlegenden Funktionen handelt es sich um eine Kollaborationslösung für kleine Teams. Wie bereits oben erwähnt, erinnert die Benutzeroberfläche ein wenig an Chatter bzw. an die typischen Timelines der sozialen Netzwerke. Kommuniziert wird ausschließlich über den Chat. Per Drag and Drop können zudem Dateien den Mitarbeitern zugänglich gemacht werden. Dazu werden diese sogenannten Channels zugeordnet, in denen die Rechtevergabe erfolgt. Der Chatverlauf eines Channels wird kontinuierlich und automatisch archiviert und kann über eine Volltextsuche durchsucht werden.

Die Box ist in erster Linie für die interne Zusammenarbeit gedacht. Jeder Mitarbeiter hat allerdings die Möglichkeit, seine Daten für den Zugriff über das Internet zugänglich zu machen (Publish to Web). Diese Funktion muss ebenfalls aktiviert sein, um den Remote Zugriff und das Hardware-Monitoring durch Protonet zu erlauben, Updates zu erhalten und Backups im Rechenzentrum von Protonet vorzunehmen.

Mit Cloud wenig zu tun! Aber Interessant.

Mit Cloud Computing, gar Private Cloud, hat die Lösung nichts zu tun. Selbst wenn die Box über ein RAID-Verbund von zwei Festplatten verfügt, kann hier auch nicht von einem Cloud Charakter gesprochen werden. Es fehlt die Hochverfügbarkeit der Infrastruktur. Was ist, wenn das Netzteil ausfällt oder gar ein Stromausfall auftritt? Was wenn die CPU oder Mainboard ein Problem haben oder das Betriebssystem? Ein aufgebohrtes NAS mit einer intelligenten Steuerung und sozialen Komponente für die Kollaboration trifft es besser.

Dennoch ist das Konzept mit der sozialen Infrastruktur sehr interessant, wäre als Public Cloud oder Virtual Private Cloud Service jedoch besser aufgehoben, als in so einer kleinen Box.

Auch wenn hier das Argument des Datenschutzes aufkommen sollte: „… it’s yours.“, die Daten werden in das Rechenzentrum von Protonet übertragen, um dort das Backup vorzunehmen. An dieser Stelle ist es dann nicht mehr direkt „… yours.“, auch wenn die Daten verschlüsselt werden. Keine Frage, das Backup ist sehr wichtig. Auf die kleine Box würde ich mich nicht alleine verlassen. Es stellt sich aber trotzdem die Frage, ob diese lokale Komponente sinnvoll ist, da sich die Daten dann eh schon im RZ befinden.

Denn, die Box kostet natürlich auch:

  • Monatlich 149 EUR (zzgl. MwSt.: 177,31 Euro)
  • plus eine einmalige Einrichtungsgebühr 599 Euro (zzgl. MwSt.:712,81 Euro)

Darin enthalten sind E-Mail Support, Software Updates mit neuen Features, Antivirenschutz, Hardwareüberwachung und Remotezugriff bei Problemen. Die Vertragslaufzeit beträgt 12 Monate und ist anschließend monatlich kündbar.

Dabei sollten aber ebenfalls nicht die Kosten für die Internetverbindung zur Anbindung der Box vernachlässigt werden. Mit einer Standard DSL-Leitung ist der Zugriff von Aussen sowie das Backup in das Protonet RZ auf Grund der Uploadgeschwindigkeit nicht performant zu lösen. Das kann allerdings nur ein Test zeigen.

Fazit

Die Lösung ist wirklich interessant und der Markt ist definitiv da. Vor allem im Datenschutz sensiblen Deutschland. Allerdings würde ich auf die lokale Komponente vollständig verzichten und Protonet als echten Cloud Service anbieten. Über eine Virtual Private Cloud kann bspw. ein ebenso hohes Datenschutzniveau erreicht werden, siehe z.B. Anbieter wie T-Systems.

Update: Der Name dieses Beitrags war ursprünglich: „Protonet – Die Private Cloud für das SoHo?“. Um die eigentliche Aussagekraft des Inhalts hervorzuheben, wurde der Name auf den Aktuellen angepasst.


Bildquelle: http://www.flickr.com/photos/jankrutisch, http://dennisreimann.de