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Toter PC-Markt – Microsoft ist das Bauernopfer!

Eines Vorweg, ich bin auch nicht mit jeder Entscheidung die Microsoft trifft einverstanden und bei Weitem gibt es Produkte die ich auch kritisch betrachte. Aber was hier gerade passiert, zeigt, wie engstirnig manche Argumentationen sind. Hintergrund der Aufregung sind die Schlussfolgerungen der Marktforscher IDC und Gartner zur aktuellen Lage des PC-Marktes. Beide machen Microsoft respektive Windows 8 für den Tod des PC verantwortlich. Zu guter Letzt haben sich auch noch die Investmentbanker von Goldman Sachs und weitere Finanzanalysten angeschlossen und kommen zu absurden Aussagen. Microsoft wird hier zu unrecht als Sündenbock und Bauernopfer benutzt!

Hintergrund: Aktuelle Zahlen des PC-Marktes

Laut IDC wurden im ersten Quartal 2013 nur noch 76,3 Millionen Endgeräte ausgeliefert. Das ist ein Rückgang von 14 Prozent. Gartner legte einen Tag später seine Zahlen vor, die einen Rückgang von 11,2 Prozent zeigen und damit 79,2 Millionen ausgelieferte Personal Computer bedeuten.

Schnell war auch der Schuldige dafür ausgemacht. Microsoft, respektive Windows 8. Denn IDC war eigentlich davon ausgegangen, dass Windows 8 für eine Belebung des PC-Marktes sorgen sollte. Allerdings habe Microsoft die Situation nach IDC Aussage, verschlimmert, da sich die Kunden nicht an die neue Kachel-Umgebung usw. gewöhnen können.

Unterdessen hatte auch die Finanzbranche reagiert. So wird ein Finanzanalyst wie folgt zitiert: „Der PC-Einsatz in den Unternehmen ist ein ausgereifter Markt mit rückläufigen Ersatz-Investitionen und im Endverbraucher-Markt benötigt man kein Office, also auch kein Windows und folglich auch kein Microsoft.“ Die Investmentbanker haben ihren Kunden daher dazu geraten, ihre Anteile an Microsoft Aktien zu verkaufen.

Für mich zeigt diese Aussage, das Investmentbanker und Finanzanalysten überhaupt keine Weitsicht haben und noch viel schlimmer, keine Ahnung von dem Markt haben, den sie bewerten sollen. Anstatt die Schlussfolgerungen von IDC und Gartner zunächst kritisch zu hinterfragen, werden stattdessen unqualifizierte Aussagen getroffen, die für Microsoft und möglicherweise eine ganze Branche finanzielle Auswirkungen haben werden.

Hybrid Tablets sind der Trend

Der PC-Markt ist nicht Tod, er hat sich in den letzten Jahren nur verändert. Und wenn man aus der Sicht von Gartner und IDC nun argumentieren würde, wäre es Apple, die mit der Markteinführung des iPad für den Tod des PC-Marktes verantwortlich sind.

Dabei sieht die Situation ganz anders aus. Der PC ist nicht Tod, er hat nur begonnen eine andere Gestalt anzunehmen. Ich hatte in „meinen fünf Cloud Computing, Mobile und Big Data Vorhersagen für 2013“ darauf hingewiesen, das insbesondere Hybrid Tablets in die Unternehmen einziehen werden. Hybrid Tablets sind Tablets mit einer ansteckbaren oder drehbaren Hardware-Tastatur. Das hat den Hintergrund, dass Tablets uns zwar dabei helfen, die IT, das Internet und weitere Dinge bequemer zu nutzen. Jedoch sind sie für den vollständigen Einsatz im Unternehmen, aber auch im privaten Umfeld, nicht geeignet. Auf Konferenzen und Reisen sehe ich regelmäßig Nutzer, die sich zu ihrem Tablet eine externe Tastatur gekauft haben. Hybrid Tablets sind das beste aus beiden Welten. Das Tablet mit seinem Touchscreen und einer einfach zu bedienenden Benutzeroberfläche plus den klassischen Laptops und ihren Tastaturen. Lange Texte auf einem Tablet mit der virtuellen Tastatur zu schreiben macht keinen Spaß und ist anstrengend, was auch die Reaktionen von Business-Anwendern sind. Darüber hinaus werden Hybrid Tablets die heutigen gewöhnlichen Laptops ersetzen. Und was läuft u.a. auf diesen Hybriden? Richtig, Windows 8 – und sogar MS Office.

Das Hybrid Tablets der Trend sind, hat mittlerweile auch Apple erkannt. Es gibt erste Berichte, dass Apple ein Patent für ein „Hybrid Notebook Tablet“ eingereicht hat.

Das Nutzerverhalten ändert sich

So wie sich der Technologiemarkt entwickelt, wird auch unser Leben und unsere Art wie wir Technologien konsumieren beeinflusst. Hätte Microsoft im Jahr 2002 auf die Tastatur bei ihrem Tablet verzichtet, auf Touch Bedienung gesetzt anstatt auf einen Stift und damit einen dünneren Formfaktor gewählt, hätten sie bereits vor 11 Jahren den PC-Markt auf den Kopf gestellt. Nun war es jedoch Apple, die zum richtigen Zeitpunkt und unter dem Hype des iPod und iPhones mit dem iPad nachlegen konnten.

Allerdings sehen wir auch, dass Microsoft mit seinem Konzept eines Hybrid Tablets aus dem Jahr 2002 bereits das richtige Näschen hatte. Man darf daher sogar sagen, dass Microsoft bereits damals auf das richtige Pferd gesetzt hat. Es war wie so oft nur nicht der richtige Zeitpunkt.

Schauen wir mal rüber zur Automobilbranche sehen wir ähnliche Veränderungen. „Warum parken tausende Neuwagen heimlich in Bayern?“ Weil die Aufträge der Autohersteller zurückgehen und der Absatz von Neufahrzeugen einbricht. „Tausende Neufahrzeuge müssen ausgelagert werden, um neueren Modellen zu weichen und den Markt am Leben zu erhalten.“

Und warum ist das so? Weil sich das Nutzerverhalten und die Ansprüche ändern. Ein hoher SAP-Manager hat mir auf der CeBIT erzählt, dass es bei den Einstellungsgesprächen von Nachwuchskräften schon lange nicht mehr darum geht, ob und welchen Firmenwagen man bekommt. Die Fragen lauten eher, ob man ein iPhone und iPad bekommt.

Ich habe vor ein paar Tagen einen Vortrag von einem Roland Berger Berater gehört. Die Aussage war ganz klar, dass der Automarkt wie wir ihn heute kennen Tod ist. Das Statussymbol Auto verliert immer mehr an Bedeutung. Logisch, neue Mobility-Konzepte wie flinc, Flinkster, book-n-drive oder car2go sind viel kosteneffizienter. In vielen Fällen lohnt es sich einfach nicht mehr, hohe Investitionen in ein eigenes Auto zu tätigen. Neben den monatlichen Kosten für Steuern und Versicherungen sind die Benzinpreise ein Grund. Hier kann man auch keinen einzigen Autohersteller oder ein Modell für diese Misere verantwortlich machen. Es geht darum was die Kunden haben möchten.

Wir erleben derzeit die bis heute größte technische Revolution, die direkt auf unsere Gesellschaft durchschlägt. Ausgehend von IT-Konzepten (Cloud Computing, Mobile, Social Media usw.) entwickeln sich auch in anderen Branchen die Verhaltensweisen der Nutzer. Und dafür ist nicht ein einziges Unternehmen verantwortlich!

Von Rene Buest

Rene Buest is Gartner Analyst covering Infrastructure Services & Digital Operations. Prior to that he was Director of Technology Research at Arago, Senior Analyst and Cloud Practice Lead at Crisp Research, Principal Analyst at New Age Disruption and member of the worldwide Gigaom Research Analyst Network. Rene is considered as top cloud computing analyst in Germany and one of the worldwide top analysts in this area. In addition, he is one of the world’s top cloud computing influencers and belongs to the top 100 cloud computing experts on Twitter and Google+. Since the mid-90s he is focused on the strategic use of information technology in businesses and the IT impact on our society as well as disruptive technologies.

Rene Buest is the author of numerous professional technology articles. He regularly writes for well-known IT publications like Computerwoche, CIO Magazin, LANline as well as Silicon.de and is cited in German and international media – including New York Times, Forbes Magazin, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wirtschaftswoche, Computerwoche, CIO, Manager Magazin and Harvard Business Manager. Furthermore Rene Buest is speaker and participant of experts rounds. He is founder of CloudUser.de and writes about cloud computing, IT infrastructure, technologies, management and strategies. He holds a diploma in computer engineering from the Hochschule Bremen (Dipl.-Informatiker (FH)) as well as a M.Sc. in IT-Management and Information Systems from the FHDW Paderborn.

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